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Das künstliche Blatt – eine reale Vision?

In Sachen Energiegewinnung können wir Menschen von der Natur viel lernen. Ein prägnantes Beispiel ist die Photosynthese: Zwar ist diese sehr uneffizient, denn sie setzt maximal ein Prozent der Sonnenenergie in gespeicherte Energie um. Das jedoch machen die Pflanzen auf einfachste Art und Weise und mit unnachahmlicher Umweltverträglichkeit. In zwei Halbreaktion spalten die Pflanzen Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff. Um diese Reaktionen zu beschleunigen verwenden sie Katalysatoren. Die beiden Halbreaktionen laufen separiert durch eine Membran ab, die den Wasserstoff und den Sauerstoff zwar trennt, Ionen jedoch passieren lässt. Durch diesen Kunstgriff der Natur wird verhindert, dass der leichtbrennbare Wasserstoff bei Anwesenheit von Sauerstoff spontan verbrennt.

Plagiomnium affine, Laminazellen, Rostock, Urheber: Kristian Peters -- Fabelfroh, 2006
Photosynthese – Plagiomnium affine, Laminazellen, Rostock, Foto- Wikipedia Urheber: Kristian Peters – Fabelfroh, 2006

Klingt eigentlich recht unspektakulär, ist es aber dennoch nicht. Seit vielen Jahren stehen zahlreiche Forscher weltweit im Wettstreit um das sogenannte künstliche Blatt. Bisher ergebnislos, jedoch zeichnen sich deutliche Fortschritte ab.
Zwei der weltweit führenden Protagonisten in diesem Forscherwettstreit sind Nathan Lewis und Daniel Nocera. Lewis ist Professor am California Institut of Technologie und Leiter der Forschungsgruppe Joint Center of Artificial Photosynthesis. Prägnant und provokant zugleich ist seine Aussage zur Photovoltaik: „Kein Speicher? Kein Strom nach 16 Uhr.“
Das von den USA finanzierte Forschungsprojekt hat ein Ziel: das künstliche Blatt. Und dieses soll die effektivsten Pflanzen übertreffen.
Prinzipiell muss das künstliche Blatt prozessmäßig sich an das natürliche anlehnen. Bionik nennt sich dieser Wissenschaftszweig. Dennoch kann man die Natur natürlich nicht nachahmen, sondern nur ihr Funktionsprinzip erkennen und technologisch eine vergleichbares entwickeln. Geforscht wird mit PEC – Photoelektrochemische Zellen -, die das Wirkprinzip des Blattes gewissermaßen zu kopieren versuchen. Dazu werden Photoelektroden, die in Wasser getaucht werden, eingesetzt. Welches Licht des Sonnenspektrums dabei genutzt wird ist noch nicht endgültig geklärt. Für die Anode, die Sauerstoff erzeugen soll, wird bläuliches Licht favorisiert, für die Wasserstoff-Kathode eher rötliches Licht.
Damit eine neue Technologie sich verbreiten kann, muss sie mehrere Eigenschaften erfüllen: preisgünstig, effizient, sicher und zudem langlebig. Auch ist auszuschließen, dass dieses „Künstliche Blatt“ auch nur entfernt Ähnlichkeit mit einem Natur-Blatt haben wird; es wird nur dessen elektrochemischen Prozesse zur Energiegewinnung aus Wasser zu reproduzieren versuchen. Als vergleich kann man das Flugzeug heranziehen, das sich wohl als eines der ersten Technikobjekte an dem Flug der Vögel orientierte, optisch – ohne Federn – jedoch kaum noch mit einem Vogel vergleichbar ist.

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Die Probleme bei diesen Prozessen sind die einsetzbaren Materialien, welche die geforderten Eigenschaften erfüllen können. Tausende davon sind heute bekannt, doch welche sind geeignet und dazu preisgünstig, effizient, sicher und langlebig? Computer sind dabei sehr hilfreich, dennoch müssen die so ermittelten Materialien und Verbindungen getestet werden. Und letztlich gehört auch zur Wissenschaft nicht nur umfangreiches Wissen und viel Fleiß, sondern auch eine Portion Glück – eben das Glück des Tüchtigen. Die Forschergruppe von Professor Lewis hatte diesen glücklichen Moment – zumindest teilweise. Bei ihren Forschungen und Experimenten stießen sie auf einen preiswerten Katalysator, der in der Erdölindustrie Schwefel aus den Produkten entfernt und zudem sehr geeignet ist, auch die Wasserstofferzeugung zu beschleunigen. Jedoch gibt es bisher wohl noch einen Wermutstropfen: der Katalysator für die Sauerstofferzeugung wird noch gesucht. Was für Lewis dennoch nicht ganz so tragisch ist, denn sein Schwerpunkt liegt in der Herstellung von Wasserstoff als Energieträger sowie in der Nutzung von Kohlendioxiden, die zu Kohlenwasserstoffen umgewandelt werden sollen.
Nathan Lewis hat einen großen Konkurrenten: Daniel Nocera. Er lehrt auch in den USA, und zwar in Harvard an der Ostküste, verfolgt jedoch einen ganz anderen Lösungsansatz. Nocera setzt nicht wie sein Forscherkollege auf die Produktion von Wasserstoff, sondern will diesen Schritt – hin zu Kohlenwasserstoffen – überspringen. Diese sollen konventionelle Erdölprodukte vollständig ersetzen. Nocera nutzt dabei die zuvor gesammelten Erfahrungen bei der Einführung neuer Technologien und den Verharrungswiderstand der Gesellschaft dagegen. Für Kohlenwasserstoffe könnte die gesamte weltweit vorhandene Erdölinfrastruktur weiterhin genutzt werden – sicherlich ein unschätzbarer Vorteil.




Jedoch ist die Erzeugung selbst einfachster Kohlenwasserstoffe unglaublich komplexer, als die von Wasserstoff und Sauerstoff aus Wasser und auch die ist bisher nur im Laborbetrieb gelungen. Dennoch konnte Prof. Nocera in den letzten Jahren einige außergewöhnliche Erfolge erzielen. Er baute ein Gerät mit einem anorganischen Katalysator, das zunächst Wasserstoff aus Wasser erzeugte. Diesem wurde dann zudem Kohlendioxid zugeführt und mittels gentechnisch veränderter Bakterien wurden aus dem Stoffgemisch flüssige Brennstoffe produziert: Alles jedoch nur unter Laborbedingungen. Die Bakterien vertrugen sich allerdings nicht mit Katalysator, aber irgendwas ist ja immer.
Also wurde nach einem neuen Katalysator gesucht, der sich mit den fleißigen Bakterien vertrug, und er wurde gefunden. Laut Nocera können die Bakterien, in Verbindung mit dem neuen Kobalt-Phosphor-Katalysator, verschiedene Kohlenwasserstoffe produzieren. 2017 setze er mit seinem Team noch einen drauf, in dem er demonstrierte, dass sein technologischer Ansatz auch in der Lage sei, aus dem Stickstoff der Atmosphäre Ammoniak herzustellen. Gelänge das industriell, so würden riesige Mengen an Energie zur Herstellung von Stickstoff-Düngemittel eingespart.
Interessante Aussichten: Dennoch bleibt die Frage, ob gentechnisch veränderte Bakterien die Lösung energetischer Probleme darstellen können, zumal diese sehr fragil sind. Da scheint zunächst die Gewinnung von Wasserstoff und Sauerstoff aus Wasser erfolgversprechender. Doch wer vermag technologische Entwicklungen schon vorauszusehen?

Energie durch technische Photosynthese

Vor etwa 2,5 Milliarden Jahren hat uns die Natur die Photosynthese beschert. Dieser chemisch-physikalische Prozess bezeichnet die Erzeugung von energiereichen Stoffen aus energieärmeren Stoffen mit Hilfe von Lichtenergie und wird in der Natur von Pflanzen, Algen und zahlreichen Bakterien praktiziert.

Der Prozess der Photosynthese ist wissenschaftliche weitgehend erforscht, ihn jedoch technisch nachvollziehen zu können, ist eine ganz andere Sache. Dennoch geht das Konzept der künstlichen Fotosynthese zurück auf das Jahr 1912. Jedoch wie bei den meisten anderen Technologien auch, fehlte es damals an Umsetzungsmöglichkeiten. Erst 1972 begannen sich japanische Forscher Gedanken darüber zu machen, wie ein Apparat aussehen könnte, der Wasser mit Hilfe von Sonnenlicht in Sauerstoff und Wasserstoff aufspalten könnte. Andere Spaltungstechnologien für Wasser wurden jedoch bereits im 2. Weltkrieg erforscht.

Einer der Pioniere der künstlichen Photosynthese ist der amerikanische Harvard Professor Daniel George Nocera (*1957). Üblicherweise entsteht in der Natur bei der Photosynthese Zucker. Bei dem technisierten Prozess hingegen soll grundsätzlich Wasserstoff entstehen. Nocera hat einen Weg gefunden, gewisse Prozesse dieser komplexen Synthese technisch nach zu vollziehen. Das dabei der Schwerpunkt auf die Synthese von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gelegt wird hat energetische Ursachen: Wasserstoff enthält mehr Energie pro Gewichtsanteil als jeder andere chemische Brennstoff. Zudem verursacht Wasserstoff bei der Verbrennung keine schädigenden Emissionen und gilt daher als Energieträger der Zukunft.

Prof. Nocera sagt dazu: „In jeder Stunde trifft mit dem Sonnenlicht mehr Energie auf die Oberfläche der Erde, als wir Menschen in einem Jahr verbrauchen. Wir benötigen also nur einen kleinen Teil davon.

Besonders im kalifornischen Pasadena, im California Institute of Technologie (Caltech) versucht ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftlern es den Pflanzen gleich zu tun – hat aber weitaus mehr Mühe damit. Welches Interesse die USA dennoch an diesem Zukunftsprojekt haben, zeigt die Bereitstellung von 115 Mio.$ über 5 Jahre mit denen 190 Wissenschaftler gefördert werden. Dennoch sind die Fortschritte, die bisher erzielt wurden überschaubar. Man hatte sich das Ganze wohl einfacher vorgestellt. Die Forscher bezeichnen ihren Apparat als „künstliches Blatt“. Das erfüllt zwar in der Forschung schon seinen Zweck ist jedoch vom Einsatz in der Praxis noch weit entfernt.

Der wissenschaftliche Direktor von Caltech, Nathan Lewis, sagt über sein Projekt: Man verlangt drei Dinge von einem künstlichen Blatt: es soll einen hohen Wirkungsgrad besitzen, kostengünstig und robust sein. Und ich könnte bereits heute mit zwei dieser Eigenschaften – ganz egal welche – dienen, aber nicht mit allen drei gleichzeitig.“


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Prinzipiell besteht das „Künstliche Blatt“ aus zwei Halbleiterelektroden die mit einem Katalysator beschichtet sind und die einen Teil der Lichtenergie des Sonnenspektrums absorbieren können. Das Wasser wird in seine beiden Bestandteile zerlegt und die entstandenen Gase durch eine Membran getrennt. Das Prinzip hört sich nicht spektakulär an, ist es aber dennoch.

Die Krux am „Künstlichen Blatt“ ist, eine optimale Zusammenstellung der verschiedenen Materialkomponenten zu finden. Insbesondere die Materialauswahl für die Photokathode, die das Sonnenlicht absorbiert und das Wasserstoffgas erzeugt stellt sich problematisch dar – wie gesagt kostengünstig, zuverlässig und mit hohem Wirkungsgrad. Tausende verschiedene Materialkombinationen werden dazu untersucht und getestet.

Beim Caltech Projekt – Joint Center for Artificial Photosynthesis (JCAP) – führt man einen Teil dieser Materialtests mit Tintenstrahldruckern durch, die pausenlos kleine Legierungsproben auf Glasplatten drucken. Die Forscher prüfen dann, ob sich einer der aufgedruckten Werkstoffe als Katalysator oder Lichtabsorber eignet. Zusammengenommen vermögen die Drucker, täglich bis zu eine Million unterschiedliche Proben herzustellen.

In zahlreichen anderen Forschungsprojekten überall auf der Welt werden alternative Lösungsansätze für die technische Photosynthese verfolgt. Jedoch sind diese Systeme nicht ungefährlich, wenn sie in großer Anzahl betreiben werden. In Santa Barbara, Kalifornien – testet ein junges Unternehmen namens HyperSolar beispielsweise ein System, in dem beschichtete Nano- oder Mikropartikel sowohl Lichtabsorber als auch Katalysator in sich vereinen und in einem transparenten, mit Wasser gefüllten Kunststoffbeutel verstaut werden. Scheint Sonnenlicht auf den Beutel, bilden sich Wasserstoff- und Sauerstoffgas darin, und er bläht sich auf. Das Problem ist, dass beide Gase gemeinsam erzeugt werden. Stellte man diese Beutel in großen Batterien auf und kommt es nur an einem zu einer Explosion, so erfolgt eine Kettenreaktion mit katastrophalem Ausmaßen.

Wissenschaftler machen derzeit Fortschritte an allen Fronten. „Doch letzten Endes“, so Devens Gust von der Arizona State University in Tempe, „weiß noch niemand wirklich, welcher Ansatz sich behaupten wird, welcher sich als praktikabel erweist.“

Ich bin davon überzeugt, dass in den nächsten 10 Jahren eine praktikable Methode für die technische Photosynthese gefunden werden wird. Ob diese dann jedoch auch schon in die Praxis überführt wird ist fraglich. Zu mächtig ist die Erdöl- und Energielobby und auch die internationale Politik ist in Umweltfragen gern populistisch unterwegs. Sie müsste, wenn wir mit Wasser fahren könnten, vollständig auf die beträchtlichen Steuern auf Energie und Treibstoff verzichten. Ob sie das ohne große Not wirklich will, wird uns die Zukunft zeigen. Wir dürfen gespannt sein!