Völkerwanderungen II – die Langobarden

Die Wanderung der Kimbern und Teutonen von 120 v. Chr. bis 101 v. Chr. endete mit deren Untergang, wie ich in Teil I beschrieben habe.

Nach dieser ersten überlieferten Völkerwanderung germanischer Stämme, und den damit verbundenen ersten kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Römern und Germanen, herrschte zunächst einige Jahrzehnte Ruhe. Nachdem die Ersterwähnung der Germanen um 220 v. Chr. anscheinend nicht auf dieses Volk bezogen war, sondern vermutlich auf gallische Stämme, verwendete Julius Caesar diesen Namen nun ganz gezielt. Nachdem er in den gallischen Kriegen gesiegt hatte, kam er zunächst direkt mit linksrheinischen Germanenstämmen in Kontakt. Er baute das römische Reich bis an das linksrheinische Ufer aus. Im Jahr 55 v. Chr. überquerten die germanischen Stämme der Usipeter und Tenkterer den Rhein und fielen in Gallien ein. Es handelte sich dabei nicht um einen Zug aus Not, auf der Suche nach neuen Siedlungsgebieten, sondern um einen Raubzug. Zunächst versuchte Caesar die beiden Germanenstämme mit Verhandlungen zu Rom-Unterstützern zu machen. Während des Waffenstillstandes kam es zu einem militärischen Zwischenfall zwischen den Germanen und römischen Hilfstruppen. Da die Verhandlungen für Caesar wohl nicht erfolgversprechend verliefen, nutzte er diese Gelegenheit, die anwesenden germanischen Stammesfürsten festzunehmen. Dann ließ er die führerlosen Usipeter und Tenkterer unvermittelt angreifen und niedermetzeln. Nach Caesars eigenen Angaben sollten 430 00 Menschen dabei ums Leben gekommen sein, wobei die Römer keinen Toten zu beklagen hatten. Dies Angaben lassen sich wohl als Kriegspropaganda abtun und ins Reich der Legenden verweisen. Dennoch wird dieses Massaker in der Wissenschaft als frühes Beispiel für einen Völkermord gewertet. Wäre die Wissenschaft konsequent, müsste sie auch dafür einen anderen Namen finden, denn es wurde kein Volk ermordet. Es waren nur zwei Volksstämme und eine nicht unerhebliche Zahl an Überlebenden wurde über den Rhein zurückgedrängt.

Caesar sah es nach dieser Auseinandersetzung als notwendig an, in die rechtsrheinischen, germanischen Gebiete vorzudringen, diese zu erobern und dem Römischen Reich anzugliedern. Somit war er der erste römische Feldherr, der militärische Operationen, in das weitgehend unbekannten germanischen Territorium, vornahm. Es waren jedoch wohl nur Expeditionszüge, auf eine dauerhafte Eroberung musste er letztendlich verzichteten.

Nachdem er am 15. März 44 v. Chr. während einer Senatssitzung in Rom ermordet wurde, trat sein Stiefsohn Octavius seine Nachfolge an. Dieser gewann alle folgenden Machtkämpfe und errichtete eine Alleinherrschaft als Monarchie, in Form eines Prinzipats. Im Januar 27 v. Chr. verlieh der Römische Senat Octavius den Ehrennamen Augustus (der Erhabene). Augustus war somit der Begründer des Römischen Kaiserreiches, aber auch der Totengräber der Republik.

Nach Caesars Tod ließen die Einfälle der Germanen in römisches Gebiet jedoch nicht nach. Das war für Augustus wohl der Anlass eine neue Germanen-Strategie zu entwerfen. Er wollte Germanien in das Römische Reich eingliedern, eine Provinz Germania magna gründen. Die Wissenschaft ist sich uneins, ob die nun folgenden Militäraktionen Expeditionszüge oder Kriegszüge waren, und eine germanische Provinz während seiner Herrschaft schon im Aufbau war oder erst in Vorbereitung. Für meine Betrachtungen von Völkerwanderungen ist das jedoch nicht relevant.

Im Jahr 16 v. Chr. kam es dann zu einer erneuten Konfrontation. Die Sugambrer, ein westgermanischer Stamm vom Niederrhein, überschritt diesen vermutlich nördlich des heutigen Bonn und vernichtete die V. Römische Legion. Dabei erbeuteten sie zudem den Legionsadler. Dieser Kriegsakt war für Augustus Anlass, die Eroberung Germaniens voranzutreiben. Dazu sicherte er zunächst die Alpenpässe und das Alpenvorland um im Nachgang die Provinz Raetia zu gründen. Diese umfasste das nördliche Alpenvorland< zwischen dem südöstlichem Schwarzwald, Donau und Inn und reichte im Süden von den Tessiner Alpen über Graubünden und einen Teil Nordtirols zu einem oberen Teil des Eisacktals. Anschließend beauftragte er seine Stiefsöhne Drusus und Tiberius mit den weiteren Expansionsvorbereitungen in Germanien. Im Jahr 15 v. Chr. wurde dann das Militärlager Augusta Vindelicorum angelegt, aus dem sich später Augsburg entwickelte. 12 v. Chr. begannen die Germanenfeldzüge, die von Drusus geführt wurden. Von meiner Warte aus, waren die Drususfeldzüge als Expeditionsfeldzüge angelegt, denn es bestand wohl kein Interesse daran die Germanen kriegerisch zu unterwerfen. Auch die römischen Legionen mussten auf ihrem Marsch versorgt werden. Im Gegensatz zu den ausgewanderten Kimbern und Teutonen verfügten die Römer jedoch über Geld, das die Germanen wohl schon schätzen gelernt hatten, sowie weitere begehrte Tauschartikel. Bei diesen Feldzügen erreichte Drusus auch das Gebiet von Saale und der mittleren Elbe bei Magdeburg. Bei diesem Feldzug stürzte Drusus vom Pferd und verletzte sich derart, dass er verstarb. Sein Bruder Tiberius führte die Germanien-Strategie von Augustus fort. Während eines Feldzuges des Tiberius bis zur Elbe im Jahr 5 n. Chr. wurde dann der Stamm der Langobarden aus seiner Heimat links der Niederelbe von den Römern vertrieben. Der Grund dafür war wohl deren gefürchtete Wildheit und Kampfeslust. Die Langobarden wurden auf dem rechten Ufer der Unterelbe angesiedelt. Mit dieser Vertreibung durch die Römer nahm eine weitere große Völkerwanderung wohl ihren Anfang.

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Durch die Niederlage der Römer in der Varusschlacht im Jahr 9 n. Chr. wurden die römischen Expansionspläne endgültig beendet, auch die drei Germanicus-Feldzüge in den Jahren 14/15 n. Chr. änderten daran nichts mehr. Es hat den Anschein, dass die Langobarden, die sowohl in Mecklenburg, wie auch an der oberen Elbe siedelten, sich mit den Markomannen in Böhmen verbündeten. Die Quellen über die Langobarden schweigen dann bis 166 n. Chr., als sie als Teil eines Plünderungszuges in das Römische Reich einfielen, der als Markomannen-Krieg in die Geschichtsbücher einging. Diese kriegerischen Auseinandersetzungen, die unter Kaiser Mark Aurel begannen, waren wahrscheinlich die Anfänge für eine schwere wirtschaftliche und politische Krise des römischen Reiches, die letztlich in dessen Untergang mündete. Nach Ende dieses Krieges im Jahr 180 n. Chr. verlagerten die Langobarden einen Siedlungsschwerpunkt in die ostelbische Altmark. Ab etwa 250 n. Chr. sind dann archäologisch als Langobarden identifizierte Bevölkerungsgruppen an der mittleren Donau – heute Niederösterreich – nachgewiesen worden.

Um 490 zogen Germanen, die in den Quellen als Langobarden bezeichnet werden, zunächst nach Mähren, dann weiter in die römische Provinz Pannonia (Westungarn). Um 510 fielen die Langobarden in das, in der Schwarzmeer-Region gelegene Herulerreich ein und vernichteten es. Die Wissenschaft geht heute davon aus, dass der Langobardenstamm des 6. Jahrhunderts bereits eine gemischte Bevölkerungsgruppe war, die unter dem ruhmreichen Namen weiterbestand oder aber neuformiert hatte.

Im Jahr 395 wurde des römische Reich letztmals geteilt, es entstand das Weströmische und das Oströmische Reich. Im Jahr 480 war das Weströmische Kaiserreich endgültig untergegangen und gelangte danach unter die Herrschaft der Ostgoten (ostgermanischer Stamm). Im 6. Jahrhundert versuchte der oströmische Kaiser Justinian die römische Herrschaft über die Gebiete des ehemaligen Weströmischen Reichs wiederherzustellen. Der daraus resultierende Gotenkrieg machte die oströmische Hoffnung auf eine schnelle Überwältigung der Ostgoten zunichte. Schnell wurde er zu einem regelrechten Stellungskrieg, der Massenvertreibungen, großflächige Zerstörungen, Hungerkatastrophen (538-542) und Pest (541) mit sich brachte.

552 begleiteten viele langobardische Krieger den oströmischen Heerführer Narses nach Italien, um gegen die Ostgoten zu kämpfen. In der Schlacht am Milchberg besiegten sie zusammen mit den Oströmern die Ostgoten. Dann wurden die Langobarden jedoch aufgrund ihrer Disziplinlosigkeit entlassen. Ein Teil der unterlegenen Ostgoten schloss sich daraufhin den Langobarden an.

Der nach langen Jahren errungene oströmische Sieg erwies sich bald als pyrrhisch, da Italien im Verlaufe des Krieges entvölkert wurde und die wiedergewonnenen Gebiete völlig verarmt waren. Ab 567 fielen die Langobarden, die inzwischen ein Königreich gegründet hatten, mit ihren Verbündeten in Italien ein; die Oströmer hatten diesem Angriff nicht entgegenzusetzen und kapitulierten. Die Langobarden eroberten unter ihrem König Alboin den nördlichen und mittleren Teil Italiens. Die norditalienische Stadt Pavia entwickelte sich zum Zentrum des Langobardischen Königreiches.

Die langobardische Landnahme in Italien gilt als der letzte Zug der spätantiken Völkerwanderung und mithin als ein mögliches Datum für das Ende der Antike und den Beginn des Frühmittelalters in diesem Raum.

Unter Grimoald (662–671) und Liutprand (712–744) erreichte das Langobardenreich seine größte räumliche Ausdehnung. Karl der Große eroberte 774 Pavia unter dem letzten Langobardenkönig Desiderius und ließ sich selbst zum König der Langobarden krönen. Die langobardische Sprache war um 1000 ausgestorben. Mit der Eroberung durch die Normannen im 11. Jahrhundert verlor auch der Dukat Benevent seine Selbständigkeit. Der Name „Langobarden“ ist im Namen der norditalienischen Region Lombardei (ital. Lombardia) erhalten geblieben. Die Königskrone der Langobarden war die Eiserne Krone. Zahlreiche römisch-deutsche Herrscher des Mittelalters, etwa Konrad II., Heinrich VII. oder Karl IV., ließen sich mit dieser Krone krönen, um ihren Anspruch auf Reichsitalien zu unterstreichen. Jahrhunderte später ließ Napoleon I. sich mit der eisernen Krone zum König von Italien krönen, um seine Herrschaft zu legitimieren.

Das Langobardische Königreich wurde unter den Franken dem Königreich Italien zugeschlagen und war Bestandteil des Ostfränkischen Kaiserreiches. Nach der Übernahme des Königtums durch die Ottonen wurde Italien Bestandteil des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.

Die Langobarden hatten etwa 600 Jahre kein festes Siedlungsgebiet – keine Heimat -, nachdem sie von den Römern vertrieben worden waren und zogen durch viele Gebiete Mittel-, Ost- und Südeuropas, bis sie in Norditalien eine neue Heimat fanden. Es war eine Völkerwanderung – wohl die längste, die uns bekannt ist. Die Langobarden haben auf ihrer Wanderung zahlreiche Völker beraubt, bekriegt, vernichtet und vertrieben, bis sie selbst für immer untergingen oder aber auch in anderen Völkern aufgingen.

Es folgt: Völkerwanderung III – die Sueben.




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